Zweite B12-Fahrraddemo: deutliches Zeichen gegen Ausbau-Irrsinn

v.l. Eveline Kuhnert (Grüne Schwaben), Christina Mader (Kreisrätin Grüne Oberallgäu, BN), Christina Haubrich, MdL, Georg Martin (AbL, Stadtrat Grüne Marktoberdorf), Clara Knestel (Kreisrätin Grüne Ostallgäu), Annedore Fritzsche (Stadträtin Grüne Marktoberdorf)

Am vergangenen Sonntag demonstrierten erneut 250 Menschen bei einer Fahrraddemo auf der B 12 gegen die überdimensionierten Ausbaupläne, die die Bundesstraße zu einer „Allgäu-Autobahn“ machen würden – größer und breiter als die A 96 und die A 7, welche sie verbindet. Mit Vertreter*innen verschiedenster Bündnispartner wie insbesondere dem Bayerischen Bauernverband und dem Bund Naturschutz wurde die breite Ablehnung des Straßenbauprojekts mit verschiedenen Argumenten untermauert. Dass trotz schlechter Wettervorhersage der Protest wieder so groß war, zeigt, dass der Planfeststellungsbescheid nicht in trockenen Tüchern ist – und der Klageweg, den neben dem BN auch die Stadt Buchloe beschreitet, vielleicht nicht der einzige Ansatz, den Bau in dieser Form noch zu verhindern.

Schon im Vorfeld der zweiten großen Fahrraddemo auf der B 12 wurde es still um die Befürworter des Ausbauprojekts. Kaum ein Politiker wollte sich noch eindeutig Pro B12-Ausbau im Regelquerschnitt 28 äußern. Bernhard Pohl, MdL (FW), hatte als Einziger noch die Entscheidung für den vorliegenden Ausbauplan der B 12 als „Schicksalsfrage“ hochgehalten und sich dabei in einer irrtierenden „Argumentation“ zum Klimaschutz verstrickt, während die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (FW) sich schon für eine schmalere Ausbauvariante ausgesprochen hatte.

Ministerpräsident Söder (CSU) hingegen sprach noch im Umfeld der Eröffnung der Kemptener Festwoche – bei der ebenfalls eine große Demonstration für eine sinnvollere Verkehrspolitik und gegen den überdimensionierten B12-Ausbau protestierte – nahezu unbeirrt von einer angeblich überwiegenden Zustimmung zu den Plänen durch die Landkreise, Städte und Gemeinden der Region.

Lokale Mandatsträger zum B12-Ausbau: Ist Söder überwiegend oder mehrheitlich schlecht informiert?

B 12 Ausbau im Regelquerschnitt von 28 Metern: Laut Söders Aussagen im Beitrag von Allgäu TV sind örtliche Mandatsträger „Städte, Landräte … alle, also überwiegend, dafür, in der Mehrheit“ – die Stadt Buchloe hingegen klagt mit einstimmigem Stadtratsbeschluss und CSU-Bürgermeister gegen den Planeststellungsbescheid. Im selben TV-Beitrag kommt auch die FW-Ländrätin Indra Baier-Müller zur Sprache, die sich eindeutig gegen den Plan und für eine schmalere Ausbauvariante ausspricht.

Kritik kam außerdem schon direkt nach dem Planfeststellungsbeschluss im Juli aus den betroffenen Gemeinden Jengen und Germaringen, die ihre Einwendungen im Planfeststellungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt sahen.

Während Jengen dennoch weiterhin zustimmt, ist Germaringen zuletzt deutlich von den vorliegenden Plänen abgerückt, befürwortet ebenfalls eine schmalere Ausbauform und behält sich Klagen vor, soweit die Gemeinde als solche direkt betroffen ist.

Auch im Hinblick auf den nächsten Planungsabschnitt, der ebenfalls durch Germaringer Flur führt, betonte Bürgermeister Helmut Bucher, die „Einordnung des B12-Ausbaus bis Kempten im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans sei ebenso nicht vermittelbar wie die Ausbaudimension mit einem Regelquerschnitt von 28 Metern. Die Rücknahme auf 21 Meter und zusätzlich eine Geschwindigkeitsbegrenzung seien der bessere Weg“ (Allgäuer Zeitung vom 28.07.).

Richtlinienentscheidung über Überbreite: Wer kann den Plan noch kippen?

Für die Verbesserung der Verkehrssicherheit wäre diese Kompromisslösung absolut ausreichend. Die für die Planung des B12-Ausbau zugrundeliegenden Verkehrsprognosen rechnen für die Strecke mit einem nur geringen Verkehrsanstieg, sodass eine Bundesstraße in Autobahndimensionen eigentlich gar nicht nötig ist.

Warum dennoch so breit geplant wurde, liegt in den Richtlinien des Bundesverkehrsministeriums begründet, die die vorgeschlagene schmalere Ausbauvariante (Regelquerschnitt mit 21 Metern Breite wie bei der B 19 zwischen Kempten und Sonthofen) grundsätzlich nicht für die B 12 vorsieht. Diese Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (kurz RAA) seien für den Ausbau anzuwenden – obwohl es sich weiterhin um eine Bundesstraße handelt und die Verkehrsprognosen auch keine Notwendigkeit einer Autobahn ergeben.

Wie Thomas Reichart vom Bund Naturschutz erläutert, wäre eine Abweichung von diesen Richtlinien im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens jedoch durchaus möglich gewesen – immerhin seien teilweise auch von Richtlinien abweichende Verbesserungen im Lärmschutz zugestanden worden.

Der Bund Naturschutz setzt weiterhin alles daran, den Baubeginn durch seine Klage zu verzögern und sammelt in seiner Betterplace-Kampagne noch Spendengelder zur Erstellung von Gutachten. Die hohe Spendenbereitschaft, die bisher schon die Anwaltskosten abdeckt, ist ein weiterer Beleg des großen Widerstands der Bevölkerung gegen den B12-Ausbau. Auch der Bayerische Bauernverband unterstützt zu 100 % den Klageweg des Bund Naturschutz, wie Kreisvorsitzende Michael Haußer und Kreisobmann Andreas Schmid bei der Kundgebung in Buchloe-Lindenberg betonten.

Ungewohnte Allianz: Neben GRÜNEN, Bund Naturschutz (BN) und Landesbund für Vogelschutz (LBV) vereinten sich auch die Bauernverbände Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Bayerischer Bauernverband (BBV) bei der Demonstration gegen den überbreiten B12-Ausbau.

Die Zusammenarbeit sehr unterschiedlicher Partner ist die große Stärke des Bündnisses, das unter dem Namen „B12-Ausbau – so nicht!“ innerhalb der letzten anderthalb Jahre die Debatte um den Ausbau geführt und dabei alle Fakten und Argumente einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Was die verschiedenen Verbände, die in vielen anderen Fragen entgegengesetzte Positionen vertreten, eint, ist die Ablehnung des immensen Flächenverbrauchs. Der Ausbau der B 12 in der geplanten Form würde über hundert Hektar Flächen versiegeln, darunter auch viele für die Landwirte existenzielle Agarflächen.

Bund Naturschutz, Grüne und Bauernverband – ungewöhnliches Bündnis mit klarer Zielsetzung: keine Allgäu-Autobahn!

Schon 2013 hatten die Grünen sich gegen die Ausbaupläne gewendet und stattdessen einen Fokus auf die Elektrifizierung der Bahn im Allgäu angemahnt.

v.l. Thomas Reichart (BN), Michael Haußer (BBV), Christina Haubrich (MdL, Grüne), Armin März (Grüne Buchloe)

Bei einem Ortsbesuch 2018 hatte unser Landtagsfraktionssprecher Ludwig Hartmann das Problem des Flächenverbrauchs gemeinsam mit unserem Kreisvorsitzenden Günter Räder und betroffenen Landwirten besprochen. Schon damals kritisierte Landwirt und BBV-Kreivorsitzender Michael Haußer die Dimensionen des Ausbauplans und brachte die schmalere Ausbauvariante als Alternative und das Stichwort Flächensparen in die Diskussion ein.

Dennoch hielten vom CSU-geführten Bundesministerium bis zum für die Planung letztlich zuständigen staatlichen Bauamt Kempten alle Entscheidungsträger an der Richtlinienentscheidung für einen Regelquerschnitt mit 28 Metern Breite fest.

„Stur und arrogant“ nannte Peter Griegel vom Landesbund für Vogelschutz dieses Beharren auch in Bezug auf Ministerpräsident Söder. Die Kosten für die unnötige Ausbauform könnten auf über eine Milliarde Euro steigen, so Griegel.

Dass die überdimensionierte Planung alternativlos vorangetrieben wurde, stellt sich spätestens jetzt als grober Fehler heraus, als angesichts der drohenden Klimakatastrophe auch der Klimaschutz den notwendigen Stellenwert in der Gesetzgebung erlangt hat.

Das zunächst mangelhafte Klimagesetz der Großen Koalition wurde vom Bundesverfassungsgericht einkassiert und schließlich nachgebessert; auch die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag Ziele gesetzt und ist selbstverständlich an das Klimagesetz gebunden. Genau dieses Thema ist Ansatzpunkt der Klage des Bund Naturschutz: Der Planfeststellungsbeschluss für den ersten Bauabschnitt des B12-Ausbaus steht den Naturschützern zufolge im Widerspruch mit dem Klimagesetz und ist deshalb ihrer juristischen Auffassung nach rechtswiedrig.

Bundesverkehrswegeplan auf dem Prüfstand: Kommt die Klimaklausel zu spät?

Im Verkehrsministerium scheinen insgesamt die Bemühungen, den Klimazielen gerecht zu werden, auch unter FDP-Führung gelinde gesagt ausbaufähig. So bleibt Volker Wissings Sofortprogramm um das 20-fache unter den Klimazielen des Verkehrssektors zurück, Umweltverbände sprechen von einer „Arbeitsverweigerung in Sachen Klimaschutz“ und die Deutsche Umwelthilfe hat eine Klage gegen Wissing und sein Sofortprogramm eingereicht.

Demonstrierende bei der Kundgebung vor der Radeldemo auf der B12: „wieviel FDP verträgt unsere Zukunft?“

Christina Haubrich, die als Landtagsabgeordnete die grüne Fraktion im Ostallgäu vertritt, erklärte in ihrer Rede die Position der Grünen. Nach den Koalitionsverhandlung seien viele Grüne schon unzufrieden mit den Kompromissen im Verkehrssektor gewesen. Entsprechend groß ist die Empörung darüber, dass Wissing diese Vereinbarungen nun noch unterläuft. Für den B12-Ausbau seien allerdings noch keine Mittel im Bundeshaushalt hinterlegt – auch dies könne eine Chance sein, den Baubeginn noch herauszuzögern und auf dieser Ebene eine andere Lösung zu forcieren.

v.l.: Thomas Reichart (BN), Andreas Schmid, Michael Haußer (beide BBV), Christina Haubrich (MdL, Grüne), Peter Griegel (LbV), Armin März (Grüne Buchloe)

Die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, alle Projekte des Bundesverkehrswegeplans auch auf ihre Klimaverträglichkeit zu überprüfen, muss umgesetzt werden und auch für den bereits planfestgestellten Bauabschnitt der B12 noch zum Tragen kommen. Eine Überprüfung des gesamten Bundesverkehrswegeplans wurde allein aus finanziellen Gründen schon zu Zeiten Dobrindts durch den Bundesrechnungshof angemahnt. Weder Dobrindt noch sein Nachfolger Scheuer kümmerten sich jedoch um die offenkundigen Schwächen und Fehlkalkulationen des Bundesverkehrswegeplans, sodass diese Aufgabe nun Volker Wissing zukommt.

Kann es einen Kompromiss geben?

Während lange Zeit im Allgäu die Freude darüber vorherrschte, dass das Projekt „B12-Ausbau“ in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen wurde, zeigt sich mittlerweile, dass vor allem die Ausbaurichtlinien in Autobahndimensionen keine Mehrheit in der Region hat – und die Ausbaupläne dringend gestoppt und ggf. nachgebessert werden müssen. Die Chance, dies im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gleich zu tun, haben die Behörden versäumt.

Auch innerhalb des Bündnisses „B12-Ausbau – so nicht!“ könnten sich viele einen B12-Ausbau in anderer, schmalerer Form vorstellen. Eine Verzögerung des Baubeginns liegt also nicht in der Verantwortung der Kritiker, sondern in der Verantwortung derer, die an der fehlgeleiteten Planung trotz aller seit langem vorgebrachter Einwände und der Vielzahl der offiziellen Einwendungen innerhalb des Verfahrens – und trotz der Unvereinbarkeit mit den Klimazielen – festgehalten haben.

Der Fehlsschluss von Söder und Thomae

Eine Ganz-oder-gar-nicht-Rhetorik, wie sie Ministerpräsident Söder oder ansatzweise auch der Allgäuer FDP-Bundestagsabgeordnete Thomae zuletzt noch zugunsten der Durchführung des Ausbaus nach Plan vorgebracht haben, ist eine typische „Sunken-cost-fallacy“ – weil man jetzt schon so viel investiert habe, müsse man es jetzt auch durchziehen, Aufgeben wäre die größere Verschwendung.

Dabei ist die Annahme, man müsse nun so wie geplant ausbauen, um den Ausbau nicht insgesamt aufs Spiel zu setzen, sachlich falsch: Auch eine angepasste Ausbauvariante könnte im vordringlichen Bedarf eines neuen Bundesverkehrswegeplans bleiben; Gelder würden dafür aufgrund niedrigerer Kosten aktuell wohl sogar eher zugeteilt werden als für den vorliegenden Plan.

Wenn man für einen B12-Ausbau ist, ist die Ganz-oder-gar-nicht-Haltung darüber hinaus auch nicht zielführend, denn: Riskiert man ein Scheitern des vorliegenden Plans vor Gericht, steht der Ausbau erst Recht insgesamt auf dem Spiel. Und bevor man eine Milliarde Euro in Asphalt versenkt, baut man die B12 lieber gar nicht nochmal aus, sondern steckt das Geld lieber in die Elektrifizierung der Bahn und einen funktionierenden ÖPNV auf dem Land.

Fotos von der Radeldemo:

Grüne und BN aus ganz Schwaben waren dabei bei der zweiten großen Fahrraddemo auf der B12