Warum Masken sinnvoll sind und „querdenken“ verantwortungslos ist

Sowohl medizinisch-wissenschaftlich, als auch basierend auf persönlicher Erfahrung aus dem Klinikalltag, äußert sich Prof. Dr. Diepolder zu den aktuellen Diskussionen über Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die nicht zuletzt unser Aufruf zu Gegendemonstrationen und zur klaren Abgrenzung von der querdenken-Bewegung ausgelöst haben.

Prof. Dr. Helmut Diepolder ist als Chefarzt am Klinikum Kaufbeuren für die Behandlung der Covid-19 Patienten zuständig und als Pandemiebeauftragter für die Optimierung von Diagnostik und Therapie der Patienten verantwortlich. Bei den Kommunalwahlen war er Teil des GreenTeams, das durch einen erfolgreichen Stadtrats- und Oberbürgermeisterwahlkampf das politische Klima in Kaufbeuren deutlich verbessern konnte.

Prof. Dr. Diepolder
Prof. Dr. Helmut Diepolder (Foto: Susanne Seiffert)

Wir freuen uns, dass er sich die Zeit genommen hat, einige Fragen zu beantworten.

 

Ist Covid-19 eine gefährliche Erkrankung und wie zeigt sich die Pandemie im Klinikum?

Im Frühjahr 2020 gingen die Bilder der katastrophalen Ausbrüche in Norditalien und Spanien um die Welt. Eine solche Überlastung des medizinischen Systems konnte in Deutschland abgewendet werden. Dennoch hatten wir viele schwerkranke Patienten im Klinikum Kaufbeuren mit einer erheblichen Sterblichkeit auch bei Patienten, die ansonsten definitiv nicht am Ende des Lebens angekommen waren. Beispielhaft sind hier die Patienten aus den Reha-Kliniken zu nennen, aber auch Mitarbeiter aus Reha-Kliniken und Altersheimen, die jünger als 60 Jahre waren und dennoch verstorben sind.

In der zweiten Welle nähern sich die Zahlen der hospitalisierten Patienten wieder den Zahlen des Frühjahrs an. Dadurch, dass jetzt viel weniger ältere Menschen erkrankt sind, ist die Hospitalisierungsrate geringer. Das System ist aber nicht stabil, da ein Ausbruch in einem Altersheim, einer Rehaklinik oder in einem Akutkrankenhaus innerhalb von wenigen Tagen einen dramatischen Fallzahlanstieg bewirken kann. Ein weiterer Anstieg der Covid-19 Patienten im Krankenhaus kann rasch so viele Ressourcen binden, dass die Versorgung anderer Patienten gefährdet ist.

 

Können Masken (medizinischer Mund-Nasenschutz) eine Übertragung von SARS-CoV2 verhindern?

Die Empfehlungen der WHO, des Robert-Koch-Instituts und auch der amerikanischen Centers of Disease Control sind eindeutig. Alle Behörden sehen nach umfassender Beurteilung der Datenlage einen klaren Vorteil für das Tragen von Masken. Ich weiß nicht, nach welcher Logik man denken muss, um hier zu einer anderen Einschätzung zu kommen. Die Wirksamkeit der Masken zeigen auch unsere Erfahrungen in der Klinik.

Seit sowohl Mitarbeiter, als auch Patienten bei engerem Kontakt konsequent eine Maske tragen, kam es zu keinen Übertragungen von SARS-CoV2 im Krankenhaus mehr. Einzelne Fälle kamen in den letzten Monaten nur noch vor, wenn von dieser Regel abgewichen worden war. Wir hatten auch Mitarbeiter, die kurz vor Ausbruch der Erkrankung noch eine 12-Stundenschicht gearbeitet haben und durch konsequentes Tragen der Maske keinen einzigen Patienten und keinen anderen Mitarbeiter angesteckt haben. Dies können wir sicher sagen, da alle diese Kontakte durch Testungen nachverfolgt worden sind.

 

Kann das Tragen von Masken auch gesundheitsgefährdend sein?

Untersuchungen zum Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid in Ruhe und unter körperlicher Belastung zeigen keine relevante Einschränkung durch das Tragen eines medizinischen Mundnasenschutzes. In der Klinik tragen alle Mitarbeiter konsequent den ganzen Arbeitstag eine Maske. Dies ist nicht immer angenehm, aber auch keine wirkliche Einschränkung. Chirurgen mussten immer schon auch sehr lange Operationen mit Maske durchstehen, ohne zum Ende der Operation an Konzentration nachzulassen. Einen gesundheitlichen Schaden muss man definitiv nicht befürchten.

 

Was halten Sie von der teils sehr vehementen Kritik an der Maskenpflicht und anderen Maßnahmen?

Keiner der Gegner der Maskenpflicht oder der sonstigen Einschränkungen trägt irgendeine Verantwortung für die Konsequenzen seines Handelns. Sollte die Demonstrationen direkt oder indirekt zu einer katastrophalen Entwicklung wie im Frühjahr in Italien oder Spanien führen – übernimmt dann einer der Protagonisten, die jetzt alles besser wissen, die Verantwortung? Natürlich nicht! Für alle Konsequenzen aus den ergriffenen oder auch nicht ergriffenen Maßnahmen muss die demokratisch gewählte Regierung einstehen.

Hier die richtige Abwägung zu treffen ist unermesslich schwierig und muss vielleicht auch wirklich in einem demokratischen Prozess unter Abwägung und Einbeziehung aller Fakten geschehen. Auch sollten sich besonders betroffene Bevölkerungsgruppen natürlich Gehör verschaffen dürfen. Aber nur, wenn die beschlossenen Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, können wir auch lernen, was wirkungsvoll war, und was vielleicht auch unnötig. Nur durch nüchterne Analysen können dann die Maßnahmen entsprechend angepasst werden, um das Ziel – eine unkontrollierte Ausbreitung von SARS-CoV2 zu verhindern – zu erreichen.

 

Wie prägt die Corona-Pandemie den Alltag im Krankenhaus?

Von allen Mitarbeitern im Krankenhaus haben die Pflegekräfte den engsten Kontakt zu den Patienten mit Covid-19 Erkrankung. Insbesondere die älteren Patienten mit schweren Verläufen benötigen eine intensive Pflege, selbst wenn die Prognose vielleicht sehr schlecht ist. Jeder zusätzliche Fall ist ein Mensch mehr, um den sich die Schwestern und Pfleger kümmern. Mit voller Schutzkleidung und immer noch einem Restrisiko, sich selbst zu infizieren. Nicht umsonst ist der Anteil der Covid-19 Erkrankungen im Gesundheitswesen überproportional hoch.

Vielleicht sollten manche „Querdenker“ sich im Rahmen eines Pflegepraktikums selbst ein Bild von der Lage im Krankenhaus in dieser Situation verschaffen, um zu verstehen, wie es ist, sich um an Covid-19 erkrankte Patienten zu kümmern. Danach sollte jedem klar sein, wie wichtig es ist, dass wir mit Maßnahmen wie Masken und Abstand Möglichkeiten haben, die Infektionszahlen zu verringern!

 

Vielen Dank, Prof. Dr. Helmut Diepolder,
und solidarische Grüße an die gesamte Belegschaft des Klinikums!