Für bessere Verkehrspolitik und gegen Verschwörungserzählungen

Ende Februar hatte der Kreisverband alle Interessierten dazu eingeladen, in einer Online-Veranstaltung die Ostallgäuer Grünen kennenzulernen und Ideen, Anregungen und Anliegen für grüne Politik vor Ort zur Diskussion zu stellen. Bei diesem Treffen wurde vor allem Forderungen nach Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts und besseren Radwegen Ausdruck verliehen. Außerdem wurde angeregt, die Gefahr von Verschwörungserzählungen stärker im Auge zu behalten und über deren demokratiezersetzenden Mechanismen aufzuklären.

Thema war zunächst der Unmut mehrerer Gäste über die Verkehrslage in Mauerstetten. Gewünschte Veränderungen betreffen insbesondere für die Weiherstraße, die durch den neuen Hofladen stark frequentiert wird und für diesen Verkehr den Anwohnenden zufolge zu schmal ist. Eine Beschränkung auf Tempo 30 würde das Sicherheitsempfinden deutlich erhöhen und auch die Lärmbelästigung verringern.

Tempo 30 innerorts – bisher keine Mehrheit in Mauerstetten

Grundsätzlich handelt es sich um eine Straße, bei der die Gemeinde selbst die zulässige Höchstgeschwindigkeit festlegen kann. Bei einem Antrag auf eine Verkehrsberuhigung mit Tempo 30 ergab die Abstimmung im Gemeinderat allerdings eine Pattsituation mit 7:7 Stimmen. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag im Gemeinderat als abgelehnt, die Geschwindigkeitsbegrenzung blieb beim Standard von 50 km/h.

Hubert Endhardt und Günter Räder sprachen sich dafür aus, gemeinsam mit Anwohnenden und der Kreistagsfraktion die Situation vor Ort zu besichtigen – ebenso wie weitere Orte im Landkreis, an denen Temporeduzierungen im Straßenverkehr gefordert werden.

Wann und wie setzt Verkehrsministerium den Koalitionsvertrag um?

Schon beim letzten Kennenlerntreffen dieser Art unseres Kreisverbands in Unterthingau – das im Winter 2020 noch in Präsenz hatte durchgeführt werden können – waren Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Tempo 30 innerorts unter den wichtigsten diskutierten Anliegen. Seither konnten einige Begrenzungen umgesetzt werden, wobei die Ortsdurchfahrt mit mehreren Tempo 30-Bereichen gestückelt ist und ein Schild auf das nächste folgt, obwohl eine Beschleunigung im Abschnitt dazwischen ohnehin keinen Sinn ergäbe. Ein solches Hin- und Her ließe sich verhindern durch eine Regelung, bei der Tempo 30 als allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts festgelegt würde – und man umgekehrt als jetzt die reinen Durchfahrtsstraßen mit Tempo 50 als Ausnahme der Regel beschließen und begründen müsste.

Forderungen der Grünen im Bundestagswahlkampf zu diesem Thema konnten in den Koalitionsverhandlungen leider nicht durchgesetzt werden. Die immerhin im Koalitionsvertrag verankerte Formulierung, den Kommunen sollen mehr Entscheidungsspielräume eröffnet werden, wurde bislang vom FDP-geführten Bundesverkehrsministerium noch nicht konkretisiert, geschweige denn realisiert. Nach aktueller Straßenverkehrsordnung und vor allem deren behördlichen Gesetzesauslegung in Bayern dauert es oft Jahre, bis eine Kommune eine Geschwindigkeitsbegrenzung im eigenen Gebiet durchsetzen kann. Dabei zeigen Beispiele in ganz Europa, dass innerörtliche Tempolimits von 30 km/h sehr effektiv dazu beitragen, der ebenfalls im Koalitionsvertrag und in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) als Ziel formulierten „Vision Zero“ (keine Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden) deutlich näher zu kommen.

Radwege – langer, steiler Weg von Konzepterstellung bis zur Umsetzung

Ein weiteres Thema, das den rund 20 Teilnehmer*innen am Kennenlerntreffen unter den Nägeln brannte, war der Ausbau des Radwegenetzes im Ostallgäu. Auch bei diesem verkehrspolitischen Thema braucht es einen langen Atem. Ulrike Seifert von den Kaufbeurer Grünen berichtete vom langen Weg der Erstellung eines Rad- und Fußwegekonzeptes, das nun nach und nach umgesetzt wird.

Der Landkreis Ostallgäu reichte kürzlich einen Entwurf für ein Alltagsradwegenetz beim Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (StMB) ein, das seit Juli 2021 in einem Projektteam entwickelt wurde. Während bislang bei Radwegen vor allem der Freizeitverkehr und touristische Angebote berücksichtigt worden waren, soll das neue Radwegenetz besonders für alltägliche Strecken ausgerichtet sein.

Ein Bürger aus Biessenhofen, der bewusst auf ein Auto verzichtet, berichtete im Treffen von seinen Erfahrungen mit dem alltäglichen Verkehr per Fahrrad. Viele als Radwege ausgeschilderte Wege sind eigentlich Feldwege, die für Mountainbikes, aber nicht zum Pendeln mit dem Fahrrad geeignet sind. Zwischen Biessenhofen und Marktoberdorf funktioniert das Pendeln mit dem Fahrrad vergleichsweise gut, wie auch grüne Mitglieder aus eigener Erfahrung bestätigten.

Der Entwurf fürs Alltagsradwegenetz im Ostallgäu:

Nicht zuletzt im Hinblick auf E-Bikes/Pedelecs als mögliche Alternative zum Auto im Alltag, ist der Radwegeausbau im Ostallgäu zu langsam angegangen worden, erklärte Kreistagsfraktionssprecher Günter Räder. Die Umsetzung des geplanten Alltagradnetzes ist allerdings auch eine Geldfrage. Das Radverkehrsnetz kann grundätzlich durch das Sonderprogramm „Stadt und Land“ gefördert werden. Zunächst soll das eingereichte Konzept jedoch analysiert und die Strecken abgefahren werden, was wohl rund drei Jahre dauern wird. Die herausragenden Ergebnisse des Landkreises beim Stadtradeln 2021 zeigten, dass das Radfahren im Ostallgäu einen hohen Stellenwert hat und ein entsprechendes Streckennetz verdient.

Sorgenvoller Blick in die Zukunft angesichts Querdenken & Co.

Das Kennenlerntreffen bot auch die Gelegenheit für Neumitglieder, sich vorzustellen und ihre Anliegen einzubringen. So meldeten sich kürzlich dem Ortsverband Buchloe beigetretene Grüne und berichteten von den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen, in deren Umfeld gefährliche Verschwörungserzählungen kursierten. In den demokratiefeindlichen Tendenzen könne Pegida als Vorläufer der Querdenken-Bewegung betrachtet werden. Kontinuitäten in der Art, wie dabei demokratische Prinzipien ausgehöhlt und verächtlich gemacht werden, sind dabei auch losgelöst vom aktuellen thematischen Aufhänger – der durchaus auch in vielen Aspekten kritikwürdigen Corona-Politik – im Blick zu behalten. Zu diesem Thema sei mehr Aufklärungsarbeit nötig, um zu verhindern, dass die verschwörungsideologischen Erzählmuster sich nicht weiter verbreiten und festsetzen.

Diese Sorge teilt auch Hubert Endhardt. Bei seinen ausführlichen Recherchen in den neuen digitalen Netzwerken sieht er erschreckende Tendenzen, die uns auch nach der Corona-Pandemie weiter beschäftigen werden. So könne sehr häufig ein nahtloser Übergang von Corona-Verschwörungserzählungen zu Klima-Verschwörungserzählungen festgestellt werden. Die grüne Gesprächsrunde begrüßte ausdrücklich die Entwicklung, dass sich mit „Füssen ist bunt“ wieder ein neues breites gesellschaftliches Bündnis zusammengefunden hat, sich diesen Tendenzen entschieden entgegenzustellen.